Alltag und Identität _ Notizen aus Montréal   zuletzt   6   5   4   3   2   1 
Ortsschild der ehemals und bald wieder unabhängigen Town of Mount Royal mitten auf der Insel von Montreal. Foto: Paul Morf Gronert
Reif für die Insel. [13.12.2005 pmg] Eine Insel, eine Stadt. Das war das Motto, unter dem die Provinzregierung von Québec vor vier Jahren alle 27 bis dahin selbständigen Gemeinden auf der Île de Montréal zur Stadt Montréal eingemeinden ließ. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es die absurde Situation, dass die Grenzen der Stadt mitten durch Wohngebiete verliefen, dass es selbständige 'Inseln' mitten im Montrealer Stadtgebiet gab und dass ein Teil der Stadt durch eine Reihe unabhängiger Gebiete vom Rest der Stadt abgetrennt war. Bei den selbständigen Gemeinden handelte es um mehrheitlich englischsprachige Quartiere und auch um - ebenfalls eher wohlhabende - französischsprachige. In fast allen war der Unmut über die Zwangseingemeindung groß.

Bei den Provinzwahlen 2003 verlor die Parti Québécois die Macht an die Liberale Partei. Diese hatte den Wahlkampf unter anderem mit dem Versprechen geführt, in den betroffenen Gemeinden Volksabstimmungen über eine Wiederherstellung der Unabhängigkeit durchzuführen. Und so geschah es nach der Wahl auch. Bei den Referenden sprachen sich 15 früher selbständige Gemeinden gegen einen Verbleib bei Montréal aus. Und so wird es ab 1. Januar 2006 auf der Île de Montréal 16 Städte und Gemeinden geben. Davon wird die Stadt Montréal etwa 73 Prozent der Fläche und etwa 87 Prozent der Bewohner der Insel umfassen. In Montreal werden dann über 1,5 Millionen Menschen leben. In den anderen Gemeinden jeweils nur einige Tausend.

Die alten Verhältnisse werden allerdings nicht gänzlich wieder hergestellt. Auf wichtigen Gebieten behält die Stadt Montréal das Sagen, so zum Beispiel bei der Polizei, der Industrieentwicklung und bei der Verkehrsplanung. Die Mitsprachemöglichkeiten der unabhängigen Gemeinden bei diesen Themen sind entsprechend ihres Bevölkerungsanteils gering. Doch vor allem westlich der Innenstadt wird man auch zukünftig an Straßenkreuzungen unvermittelt Ortsanfangsschilder finden.

Für besonders große Heiterkeit sorgt der Fall der Île-Dorval. Diese klitzekleine Insel direkt vor der Küste der Île de Montréal ist nur mit ein paar Ferienhäusern bebaut. Sie hatte bei der Volkszählung 2001 keinen gemeldeten Bewohner, nach neueren Zahlen sollen es zwei sein. Auch die Île-Dorval wird am 1. Januar wieder selbständig werden.
Möglicherweise handelt es sich bei den beiden Bewohnern um einen Hausmeister und eine Gärtnerin, die sich dann die Posten der Bürgermeisterin und des Beisitzers teilen können.

Siehe auch Separatisten

Karte der Île de Montréal ab 1. Januar 2006. Foto: Paul Morf Gronert

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