Alltag und Identität _ Notizen aus Montréal   zuletzt   6   5   4   3   2   1 
Alte Straßendecke wird entfernt. Foto: Paul Morf Gronert

Bau auf, bau auf! [15.08.2005 pmg] In den letzten Tagen sorgte intensiver Sonnenschein wieder für hochsommerliche Temperaturen in der Stadt. Der Boden unseressonnenbeschienenen Balkons war so aufgeheizt, dass man ihn barfuß nicht betreten konnte. In diesen Situationen fällt es einem schwer, an den langen und frostigen Winter hier zu denken, der hier in vier Monaten herrschen wird.

Tatsächlich hinterlassen die großen Temperaturextreme dieses kontinentalen Klimas sicht- und spürbare Spuren in den Straßen Montreals. Die Schlaglöcher und handbreiten Risse im Asphalt und auf den Fußwegen sind vor allem für Radfahrer echte Hindernisse und gehören zum Stadtbild genauso wie fortwährende Straßenbauarbeiten. Da fühlt man sich als Berliner fast wie zu Hause. Die Autofahrer sind der Meinung, dass mit der Erneuerung der Straßen im Frühjahr zu spät begonnen wird, dass es zu viele Unterbrechungen der Bauarbeiten gibt und dass diese erst kurz vor dem Wintereinbruch beendet seien. Es scheint ein immerwährender, unendlicher Kreislauf zu sein, der für einen konstant hohen Anteil in Erneuerung befindlicher Straßenabschnitte sorgt. Das ist natürlich übertrieben, aber tatsächlich ist es im Winter einfach zu kalt, um die Asphaltdecken zu erneuern und im Sommer gibt es les vacances de la construction, die Bauferien.

In den letzten beiden Juliwochen ruht die Arbeit auf allen Baustellen in der Provinz Québec. Diese Pflicht-Ferien gehen auf eine Regierungsverordnung aus dem Jahre 1970 zurück. Damals arbeitete man in Montréal mit Hochdruck an Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 1976. In dieser Situation gelang es den Bauarbeitern unter anderem diesen Sonderurlaub zu erstreiken. Der Regierung blieb fast nichts anderes übrig als zuzustimmen, wollte sie nicht die fristgerechte Fertigstellung der Sportanlagen gefährden. Zwar konnten die Spiele dann zum Beispiel nur dem provisorisch nutzbaren Olympiastadion eröffnet werden, doch les vacances de la construction gibt es immer noch und so 'workers put down their tools, boots, helmets, and overalls for a well-earned period of rest and relaxation' mitten im Sommer. Dass obligatorische zweiwöchige Bauferien auch um Weihnachten herum gibt, ist weniger bekannt und fällt im Winter naturgemäß weit weniger ins Gewicht.

Siehe auch Olympiastadion

-> Commission de la construction du Québec

Bagger an einer Straßenecke. Foto: Paul Morf Gronert

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