Alltag und Identität _ Notizen aus Montréal   zuletzt   6   5   4   3   2   1 
Blick auf den Olympiaturm aus der Froschperspektive. Foto: Paul Morf Gronert
Olympiastadion. [13.12.2005 pmg] Nach der erfolgreichen weltausstellung 1967 hatte Montreal neun Jahre später bereits wieder die Welt zu Gast. Die Olympischen Sommerspiele 1976 wurden hier ausgetragen. Herzstück des dafür errichteten Parc olympique im Osten der Stadt ist das Stade olympique, das Montrealer Olympiastadion. Es handelt sich vermutlich um die spektakulärste Architektur in der ganzen Stadt und zugleich auch um das umstrittenste Bauwerk.

Das eigentliche Stadion erscheint wie ein riesiges, ovales UFO. Es fasst bis zu 55.000 Zuschauer und das Spielfeld ist überdacht. Ursprünglich konnte das Dach geöffnet werden, inzwischen ist es durch ein dauerhaft geschlossenes ersetzt worden. Das Stadiondach ist mit Seilen am Stadionturm aufgehängt. Der 175 Meter hohe Turm ragt atemberaubend schräg in den Himmel und ist ein weit sichtbares Wahrzeichen Montreals geworden.

Am Ende der Avenue du Mont Royal erscheint das Stadion. Foto: Paul Morf Gronert

Besucher können an der Außenseite des Turms mit einer Zahnradbahn zur Aussichtsetage hoch fahren. Der Spaß kostet 13 kanadische Dollar, umgerechnet zurzeit etwa 10 Euro. Diese Einnahmen kann die Stadt Montréal gut gebrachen. Denn während des Baus des Stadions explodierten die Kosten, sie beliefen sich am Ende auf 1,4 Milliarden Dollar. Es wird berichtet, die Montrealer Steuerzahler zahlten noch bis in diesem Jahr dafür. Auf englisch wird das Stadion angeblich auch 'The Big O' wegen seiner Form bzw. 'The Big Owe' wegen der Schulden genannt.

Die aus dem Ruder laufenden Kosten und technische Schwierigkeiten führten zu erheblichen Verzögerungen beim Bau der Anlage. Als die Olympischen Spiele eröffnet wurden, war das Stadion nur provisorisch nutzbar. Der Turm wurde erst 1987 fertiggestellt.

Bis zum vergangenen Jahr war das Stadion Spielstätte der Baseballmannschaft Montreal Expos. Als das Team nach Washington D.C. umzog, lebte die Diskussion über einen Abriss der Anlage wieder auf. Eine Studie ergab, dass auch der noch einmal teuer werden würde - 500 Millionen Dollar.

Das Olympiastadion bei Nacht. Foto: Paul Morf Gronert

Urheber dieses futuristischen Meisterwerks ist der Pariser Architekt Roger Taillibert. Er war vom damaligen Bürgermeister Jean Drapeau mit dem Entwurf beauftragt worden. Drapeau war bis 1986 insgesamt 29 Jahre im Amt. Und prägte mit seinen visionären Projekten die Stadt bis heute. Er war für den Bau der Métro und des Konzertsaals am Place des Arts verantwortlich, er konzipierte die Expo 67 mit und holte die Olympischen Spiele nach Montréal. Doch am Ende blieb vor allem das Bild der weitgehend gescheiterten Organisation der Spiele. Der ehemalige Expo-Park trägt heute seinen Namen.

Im Olympiastadion finden heute neben immerwährenden Umbauten und Reparaturen verschiedene sportliche Großereignisse, wie wichtige American-Football-Spiele statt. Außerdem ist in dem Komplex u.a. eine Schwimmhalle und der 'Biodôme' untergebracht.

Die ausladenden Beton-Schwünge und der wunderbare Ausblick von der Turmspitze machen das Stadion zu einem echten Erlebnis und zu einem Zeugnis der Freude an expressiven, dynamischen Formen und des optimistischen Fortschrittsglaubens in den siebziger Jahren. Dem stehen leider die ernüchternden Details und Hintergründe gegenüber. Doch gerade deswegen sollte das Stadion eine Pflichtstation eines jeden Besuchers und auch Bewohners von Montreal sein. Wer weiß wie lange es noch steht...

Schemenhaftes Stadion. Foto: Paul Morf Gronert  Mehr Stadion-Fotos

Siehe auch Métro und Bau auf, bau auf!

-> Offizielle Seite des Parc olympique

zuletzt

Kommentare und Fragen bitte an: montreal(at)o1x(punkt)de
zuletzt |  Impressum |  www.o1x.de