Alltag und Identität _ Notizen aus Montréal   zuletzt   6   5   4   3   2   1 
Flaggen an einer Hauswand in Halifax. Foto: Paul Morf Gronert
Nova Scotia. [06.11.2005 pmg] Nicht dass es in Montréal langweilig geworden wäre, aber es war an der Zeit, mal einen Blick auf die kanadische Atlantikregion zu werfen. Inzwischen bin ich von dieser kleinen Rundreise an den Sankt-Lorenz-Fluss zurückgekehrt und möchte noch ein wenig die längere Pause erklären, indem ich ein paar Worte über das verlieren, was man östlich von Montréal finden kann. Zum Beispiel die kanadische Provinz Neuschottland.
Auf lateinisch und auch auf englisch heißt sie Nova Scotia, auf französisch la Nouvelle Ecosse. Sie hat knapp eine Million Einwohner, davon lebt gut ein Drittel in der Hauptstadt Halifax.

Eigentlich verrät der Name schon einen wichtigen Teil der Geschichte Neuschottlands. Tatsächlich waren es Siedler, die Schottland verlassen hatten, um hier ein neues Leben zu beginnen, die eine wichtige Rolle spielten. Ein nettes Museumsdorf, das Highland Village Museum, bei Iona auf Cape Breton Island erzählt anschaulich von dieser Zeit. Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. (Wie meistens in Kanada.) Bereits vor den Schotten hatten sich französische Siedler, die Akadier, auf dem Gebiet des heutigen Neuschottlands niedergelassen. Und diese trafen hier - genau wie die Schotten und Engländer - auf die indianischen Ureinwohner, die Mi'kmaq.

Steilküste, Cape Breton Island. Foto: Paul Morf Gronert

1867 gehörte Neuschottland zu den Gründungsprovinzen der kanadischen Konföderation. Doch bereits ein Jahr später gewann die 'Anti-Confederation Party' haushoch die Wahlen in der Provinz. Neuschottland wurde - lange vor Québec - zur ersten kanadischen Provinz, die nach Unabhängigkeit strebte. Als Grobritannien dieses Ansinnen zurückwies, schlief die Bewegung ein. Heutzutage könnte der Unmut über die Politik der kanadischen Bundesregierung in Ottawa, wie offenbar fast überall im Land, auch in Nova Scotia zu einer Wiederbelebung des alten Traums führen.

Einzige offizielle Sprache in Neuschottland ist Englisch. Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts war das schottische Gälisch noch weit verbreitet. Wie viele Menschen es heute noch beherrschen, ist umstritten. In jüngerer Zeit gibt es Bestrebungen, die Sprache der Vorfahren wieder mehr zu fördern.
Immerhin ein schottisch-gälisch-sprachiges College existiert, im erwähnten Museumsdorf sind die Informationstafeln zweisprachig und die keltisch-beflusste Musik erfreut sich auch bei jüngeren Generationen großer Beliebtheit. Es werden Studien verfasst, wie man Gälisch in Nova Scotia erhalten und entwickeln kann und einige fordern es zur zweiten Amtssprache zu machen. Diesem Vorhaben werden zurzeit aber eher geringe Erfolgschancen eingeräumt.
Das hält streitbare Geister jedoch nicht davon ab, neben Englisch und Gälisch gleich noch zwei weitere offizielle Sprachen zu fordern: Angesichts von etwa 12.000 Akadiern in Nova Scotia solle Französisch dazugehören, wie in der benachbarten Provinz Neubraunschweig (dort leben allerdings wesentlich mehr Akadier) und wie überall in Kanada auf Bundesebene. Und natürlich soll auch die Sprache der etwa 22.000 in Nova Scotia lebenden Mi'kmaq-Indianer nicht fehlen.

Mann mit Einkaufswagen an Straßenkreuzung in Halifax. Foto: Paul Morf Gronert

Halifax ist nicht nur die Hauptstadt von Neuschottland, sondern auch das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der ganzen kanadischen Atlantikregion. Im Großraum Halifax leben etwa soviele Menschen wie im Berliner Bezirk Pankow. Die Stadt ist nicht nur Basis der kanadischen Marine sondern auch der Küstenwache. Auf der anderen Seite gibt es in Halifax eine ziemlich lebendige Musikszene. Die Zeiten, in denen hier die Talentscouts der Plattenfirmen die Clubs bevölkerten - auf der Suche nach dem 'neuen Seattle', sind inzwischen wohl vorbei. Aber mit dem Festival 'Halifax Pop Explosion' und mit dem um die lokale Szene bemühten Plattenladen 'Sam the Record Man' (1656 Barrington Street, außerdem in Toronto) ist eine überzeugende Infrastruktur für die zahlreichen Bands vorhanden.

Den Nordosten Nova Scotias bildet Cape Breton Island. Die Insel ist über einen Damm mit dem Festland verbunden. Dem dorthin Reisenden werden schöne Landschaft und nette Menschen, die nicht mal ihre Haustüren abschließen, versprochen. Eine nicht repräsentative Stichprobe ergab: Es stimmt alles. Die Bewohner der Insel sind wirklich ausgesprochen freundlich, der Cape Breton National Park und das Binnenmeer Bras d'Or sind wirklich sehr schön und die Haustür war wirklich immer offen.

Siehe auch Neufundland

-> Nova Scotia Highland Village Museum
-> Halifax Pop Explosion
-> Sam the Record Man

Fähre über einen Seitenarm des Binnenmeeres 'Bras d'Or', Cape Breton Island. Foto: Paul Morf Gronert

Überblick 6

Kommentare und Fragen bitte an: montreal(at)o1x(punkt)de
zuletzt |  Impressum |  www.o1x.de